Migräne ist mehr als Kopfschmerz. Sie ist eine neurologische Reizverarbeitungsstörung, bei der Schmerznetzwerke im Kopf und Gesicht überaktiv werden. Bei Migräne spielen sowohl die Hormone als auch das Histamin eine Rolle. Doch zunächst: Ausgangspunkt vieler Attacken ist das Stammhirn, genauer gesagt der sogenannte Trigeminuskernkomplex. Von hier aus werden Signale über den Trigeminusnerv an die Gefäße der Hirnhäute weitergeleitet, wo es zu einer Überaktivierung und Entzündungsreaktion kommen kann. Wenn diese Strukturen gereizt sind, entsteht der typische pochende Schmerz mit Übelkeit, Licht und Geräuschempfindlichkeit.
Das Gehirn von Migränepatientinnen und -Patienten reagiert grundsätzlich empfindlicher auf Reize und wechselt schneller zwischen Erregung und Erschöpfung. Diese besondere Sensibilität erklärt, warum äußere Faktoren wie Licht, Lärm oder hormonelle Schwankungen leichter eine Attacke auslösen können.
Bei manchen Betroffenen kündigt sich eine Attacke durch eine Aura an. Dabei breitet sich im Gehirn eine langsam wandernde Welle aus, in der Nervenzellen kurzzeitig übererregt und danach erschöpft sind, ein Vorgang, den man kortikale Spreading Depression nennt. Diese Welle verändert die Durchblutung und macht das Gehirn vorübergehend besonders reizempfindlich. So entsteht der typische Auftakt vieler Migräneanfälle.
Hormone als Taktgeber: warum Zyklen eine Rolle spielen
Viele Frauen berichten über Migräneattacken rund um die Menstruation. Der Rückgang des Östrogenspiegels kurz vor der Blutung scheint die Schmerzverarbeitung empfindlicher zu machen. Wer mit einem Zyklus- oder Kopfschmerztagebuch arbeitet, findet hier immer wieder klare Muster. Phasen mit stabilerem Hormonverlauf, etwa während einer Schwangerschaft oder nach Eintritt der Wechseljahre, gehen häufig mit weniger Attacken einher, was den Einfluss der Hormone unterstreicht. Entscheidend ist nicht allein der absolute Wert eines Hormons, sondern wie stark und wie schnell er schwankt.
Histamin, Darm und Zyklus: Mastzellen und Hormone spielen zusammen
Migräne, Hormone und Histamin sind bei der Entstehung der Migräne gleichwertige Player. Histamin wirkt im Nervensystem und an Gefäßen. Gereifter Käse, Rotwein, fermentierte Speisen oder stark gereifte Wurstwaren können Migräne fördern. Bei manchen Menschen spielt eine verringerte Aktivität des histaminabbauenden Enzyms Diaminoxidase (DAO) eine Rolle. Aber oft ist der Zusammenhang auch komplexer. Niedrige DAO-Spiegel stehen jedoch häufig in Zusammenhang mit histaminvermittelten Beschwerden einschließlich Kopfschmerzen. Nicht jede Migräne lässt sich aber durch eine histaminarme Kost beeinflussen.
Der Darm spielt dabei eine Schlüsselrolle. In seiner Schleimhaut sitzen zahlreiche Mastzellen, und genau dort wird auch ein Großteil der Diaminoxidase gebildet. Gerät das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht oder die Schleimhaut unter Stress, kann die Histaminregulation zusätzlich ins Wanken geraten, ein weiterer Grund, warum Verdauungsbeschwerden und Migräne oft Hand in Hand gehen.
Bestimmte Frauen erleben Zyklusphasen, in denen Histaminintoleranz und Migräneneigung gemeinsam zunehmen. In der zweiten Zyklushälfte und besonders während der Menstruation werden Mastzellen, die Histamin speichern und freisetzen, unter dem Einfluss hormoneller Veränderungen vermehrt aktiviert. Wenn der Östrogenspiegel sinkt, entfällt sein dämpfender Einfluss auf die Mastzellen und sie setzen leichter Histamin frei. Gleichzeitig regt Histamin seinerseits die Bildung von Östrogen an. Normalerweise hält sich dieses Zusammenspiel gegenseitig in Balance. Kommt es jedoch zu einem raschen Östrogenabfall wie vor der Menstruation, gerät das System aus dem Gleichgewicht. Die Hemmung fällt weg, Histamin wird vermehrt ausgeschüttet und die Gefäße reagieren empfindlicher. Dies kann Auslöser stärkerer Migräneattacken in dieser Zyklusphase darstellen.
Progesteron, das in der zweiten Zyklushälfte stabilisierend auf die Mastzellen wirken kann, fällt gegen Ende des Zyklus ebenfalls ab. Die gleichzeitige Abnahme beider Hormone kann Mastzellen empfindlicher und leichter aktivierbar machen und die Histaminfreisetzung erleichtern. Das führt zu erhöhter Gefäßreaktivität und stärkerer Entzündungsneigung, die typische Elemente einer Migräneattacke sind.
Hinzu kommt, dass die Aktivität von Diaminoxidase selbst hormonabhängig zu sein scheint. Während der Menstruation sinkt ihre Wirksamkeit, insbesondere im Darm und in der Gebärmutterschleimhaut, sodass weniger Histamin abgebaut wird. Frauen mit ohnehin empfindlichem Darm oder vorhandener Histaminintoleranz erleben oft in diesen Tagen eine deutlich gesteigerte Symptomlast wie etwa stärkere Kopfschmerzen, Verdauungsbeschwerden oder Hautreaktionen.
Dieses Zusammenspiel erklärt, warum Migräne, Menstruation und Histaminproblematik so eng verknüpft sind. Histamin ist nicht die alleinige Ursache, aber in einer ohnehin labilen hormonellen Phase kann es als Verstärker wirken. Als gezielte Maßnahmen bieten sich an: regelmäßige Mahlzeiten, Reduktion stark histaminreicher Lebensmittel in den Tagen vor und während der Blutung, ausreichend Schlaf, moderate Bewegung und Entlastung im Stresssystem. In manchen Fällen ist eine zeitlich begrenzte Einnahme von DAO Präparaten oder der Einsatz von natürlichen Mastzellstabilisatoren wie Quercetin oder Vitamin C denkbar, immer begleitet durch therapeutischen Rat.
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Zum weiterlesen:
Grundlagen und aktuelle Empfehlungen zur Migräne finden sich auch bei der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft: https://www.dmkg.de/patienten
sowie bei der Schweizer Kopfschmerzgesellschaft: https://www.headache.ch/fileadmin/user_upload/pdfs/Hormonelle_Migraene_Patienteninfo.pdf
Und wer mehr über seine Darmgesundheit erfahren möchte, findet hier Impulse:
https://helga-wiesmann.de/2017/07/03/zeit-fuer-einen-darmcheck/
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