Migräne entsteht selten im luftleeren Raum. Nach innen wirken Hormone, Histamin und Darm, wie in Teil 1 beschrieben. Nach außen greifen Stress, Alltag, Spannung, Schlaf, Rhythmus und Sinnesreize ein. Man kann sagen: Migräne Stress Spannung Rhythmus sind ein perpetuum mobile. Der Lebensstil spielt oft eine große Rolle. Das Migränehirn ist ein sensibles System, das auf Schwankungen in nahezu jedem Bereich reagiert, ob körperlich, seelisch oder umweltbedingt. Wer seine persönlichen Muster versteht, kann die Anfallshäufigkeit oft deutlich verringern.

Der Stressrhythmus. Migräne nach der Anspannung

Stress gilt als einer der häufigsten Auslöser, doch das Entscheidende ist oft nicht die Belastung selbst, sondern der abrupte Wechsel danach. Viele kennen das Phänomen: Wochen voller Termine, dann endlich Wochenende. Und plötzlich kommt die Migräne. Dieser sogenannte „Let-down-Effekt“ beschreibt die Zeit, in der der Cortisolspiegel nach intensiver Anspannung rasch absinkt. Das vegetative Nervensystem reagiert darauf mit einer Art Gegenbewegung: Blutgefäße weiten sich, der Muskeltonus fällt ab, und die neuronale Erregbarkeit steigt. Das Gehirn, das zuvor im Hochbetrieb war, kann diesen plötzlichen Umschwung schwer regulieren.

Wie lässt sich das Stresssystem rhythmischer, balancierter führen, nicht in Extremen, sondern mit Übergängen? Regelmäßige Pausen, bewusste Atemzüge zwischen Aufgaben und kleine Rituale im Alltag stabilisieren das vegetative Gleichgewicht. Auch die üblichen Verdächtigen wie Entspannungsverfahren, die Atmung und Körperwahrnehmung einbeziehen, Yoga oder progressive Muskelentspannung, können die Schwankungen im Cortisolrhythmus abmildern.

Schulter, Nacken, Kiefer. Spannung nährt den Schmerz

Viele Migränepatient*innen kennen das Gefühl, als läge der Schmerz im Nacken oder ziehe von dort in den Kopf. Tatsächlich verlaufen in diesem Bereich Nervenverbindungen, die auf den Trigeminusnerv einwirken. Verspannte Muskeln im Nacken oder der Kaumuskulatur senden über Reflexbögen Signale an dieselben Schmerzbahnen, die auch bei Migräne aktiv sind. So können Fehlhaltungen, ständiger Blick nach unten auf das Handy oder langes Sitzen am Bildschirm die Reizschwelle senken.

Auch der Kiefer spielt eine unterschätzte Rolle. Pressen und Knirschen, oft unbewusst in Stressphasen, erhöhen die Muskelspannung im Gesicht und aktivieren den Trigeminusnerv zusätzlich. Eine physiotherapeutische oder zahnärztliche Abklärung kann helfen, solche Zusammenhänge aufzudecken. Schon einfache Entlastungsübungen oder eine Schiene zur Nacht können die Belastung senken.

Hilfreich ist auch ein gezieltes Training der tiefen Nackenmuskulatur und eine Haltung, die die Schultern entspannt. Kein starres Aufrechtsein, sondern eine bewegliche, atmende Aufrichtung tut sowohl Muskeln als auch Nervensystem gut.

Schlaf und Tagesrhythmus.  Das Gehirn liebt Regelmäßigkeit

Migränepatientinnen reagieren empfindlich auf Veränderungen. Das gilt besonders für den Schlaf. Sowohl Schlafmangel als auch Überschlaf können eine Attacke begünstigen. Entscheidend ist weniger die exakte Stundenzahl als der Rhythmus: zur gleichen Zeit zu Bett gehen, zur gleichen Zeit aufstehen, auch am Wochenende. Diese Konstanz hilft der inneren Uhr, den Stoffwechsel und die Hormonregulation stabil zu halten.

Abendliches Blaulicht, Lärm und späte Mahlzeiten verschieben die Ausschüttung von Melatonin und stören die Schlafqualität. Wer dazu neigt, profitiert von sanften Abendroutinen: gedämpftes Licht, kein Bildschirm in der letzten Stunde, leichte Bewegung oder ein warmes Fußbad. Auch ein Zubettgehritual, sei es noch so klein, wird vom Gehirn als Taktgeber registriert. Das Ziel ist nicht Perfektion, sondern Vorhersagbarkeit. Das Gehirn mag es, zu wissen, wann Ruhe kommt.

Ernährung und Blutzuckerschwankungen

Gleichmäßigkeit auch beim Essen ist für Migränepatient*innen wichtig. Längere Essenspausen, stark schwankender Blutzucker und zu viel Kaffee können das Nervensystem reizen. Kleine, regelmäßige Mahlzeiten stabilisieren den Energiefluss und verhindern, dass der Blutzuckerspiegel stark abfällt.

Einigen Betroffenen hilft es, Koffein in einer konstanten, kleinen Menge zu halten, statt es tageweise ganz wegzulassen oder in Stressphasen zu steigern. Auch ausreichend Flüssigkeit ist entscheidend: schon leichter Flüssigkeitsmangel kann Gefäßreaktionen begünstigen.

Ernährungsmedizinisch gibt es Hinweise auf positive Effekte bestimmter Nährstoffe. Magnesium, Vitamin B2 und Coenzym Q10 gehören zu den am besten untersuchten. Sie unterstützen die Energieproduktion in den Nervenzellen und können die Häufigkeit der Attacken verringern, wenn sie regelmäßig eingenommen werden.

Bewegung bringt Rhythmus für Kreislauf und Nervensystem

Bewegung wirkt wie ein biologischer Puffer gegen Migräne. Moderate Ausdaueraktivität verbessert die Sauerstoffversorgung, reguliert Stresshormone und stärkt die Gefäßstabilität. Studien zeigen, dass regelmäßiges Training – etwa drei Einheiten pro Woche – die Anfallshäufigkeit ähnlich stark senken kann wie manche vorbeugenden Medikamente.

Wichtig ist das richtige Maß: zu intensive Belastung kann wiederum ein Trigger sein. Sanftes Laufen, Radfahren, Schwimmen oder Yoga helfen, die innere Anspannung zu lösen, ohne das System zu überfordern. Entscheidend ist nicht die Sportart, sondern die Regelmäßigkeit und Freude an der Bewegung.

Reizflut und Nervensystem. Das Gehirn braucht Schutzräume

Das Migränehirn reagiert empfindlicher auf Sinnesreize als andere. Helles Licht, Lärm, Gerüche oder langes Starren auf den Bildschirm überfluten das Nervensystem. Diese Überlastung kann sich aufstauen, bis der Schmerz als Ventil folgt.

Im Alltag bedeutet das, Schutzräume zu schaffen: gute Beleuchtung ohne Flimmern, kurze Bildschirmpausen, Sonnenbrille bei grellem Licht, ruhige Räume zum Rückzug. Auch emotionale Reize zählen dazu. Ständige Erreichbarkeit, hohe Reizdichte, ununterbrochene Informationsflüsse erschöpfen das Gehirn ebenso wie physische Belastungen.

Wetter und Vegetation. Der Körper als Barometer

Viele Migränepatient*innen spüren den Wetterwechsel, bevor er sichtbar ist. Besonders bei fallendem Luftdruck oder abrupten Temperaturänderungen reagieren Gefäße und vegetatives Nervensystem empfindlicher. Das liegt daran, dass der Körper ständig versucht, seine Durchblutung und den Sauerstoffgehalt an die äußeren Bedingungen anzupassen. Wenn dieser Anpassungsmechanismus überfordert ist, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Attacke.

Auch hier gilt: Regelmäßigkeit hilft. Tägliche Bewegung an der frischen Luft, unabhängig vom Wetter, trainiert die Anpassungsfähigkeit. Ausreichendes Trinken, moderate Aktivität und bewusste Atemübungen stabilisieren den Kreislauf. Wetterfühligkeit ist keine Einbildung, sondern Ausdruck einer sensiblen Regulation. Wer den Körper auf wechselnde Bedingungen trainiert, nimmt ihm den Überraschungseffekt.

Migräne. Tricky und eine echte Herausforderung

Migräne Stress Spannung Rhythmus – mit Migräne zu leben, stellt eine Herausforderung dar. Zum einen sind da enorme Schmerzen, die bis an die Grenze des erträglichen reichen. Zum anderen die Schwierigkeit, das Leben so anzupassen, dass die Episoden weniger häufig auftauchen. Oftmals haben Patient*innen dann das Gefühl: „Ich darf ja garnichts mehr“. Als ginge die Lebensqualität verloren. Doch lohnt es sich, das Ganze einzukreisen gegebenenfalls kleine Maßnahmen zu finden, die nützlich sind. Beispielsweise kann es hilfreich sein, bei Blutzucker-induzierter Migräne abends vor dem Schlafengehen einen kleinen, fetten Imbiss zu nehmen: etwas Vollkornbrot, Lachs, Avocado.
Voraussetzung dafür ist, sich selbst und die Trigger gut zu kennen.

 

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Hier finden Sie den ersten Teil: Migräne, Hormone und Histamin. Wie alles zusammenhängt.

zum Weiterlesen:
https://www.dmkg.de/patienten/

https://www.schmerzgesellschaft.de/