Tara kam Ende März zu mir. Sie war damals 6 Monate alt, ein Welpe aus Rumänien, schwer traumatisiert. Was genau man ihr angetan hatte entzieht sich meiner Kenntnis.

Fünf Tage in der Woche steht sie vor der Herausforderung, sich zweimal täglich an drei netten Menschen (1x weiblich, 2x männlich) vorbeibewegen zu müssen. So manches Mal in den letzten 5 Monaten dachte ich, sie würde das nie schaffen. Da gab es die verschiedensten Strategien. Leckerchen (wollte sie in den ersten drei Monaten sowieso keine annehmen). Locken. Aufmerksamkeit und Neugier wecken. Singen. An der Leine vorbeiführen. An der Leine vorbeiziehen. Immer aber mit Geduld und Wohlwollen. Auch wenn`s manchmal schwerfiel und ich ihr am liebsten gesagt hätte: „Jetzt komm endlich, stell Dich nicht so an“. Aber Tieren kann man so gerade gar nicht kommen.

Irgendwann, fast unmerklich begann es. Da ging sie leichter an der Leine an den Leuten vorbei, da entwickelte sich sehr langsam so eine bestimmte Gelassenheit. Sie schreckte nicht mehr zurück wenn sich einer der drei Zeitgenossen bewegte während sie an ihm vorbeilaufen sollte. Ich musste nicht mehr mein ganzes Repertoire auspacken um dennoch zu scheitern und zur Leine zu greifen. Manchmal zögerte sie, lief einen Bogen. Suchte ihren eigenen Weg die Situation zu bewältigen.

Seit ganz kurzem rufe ich sie. Und sie kommt. Läuft an den Menschen vorbei. Schnuppern will sie noch nicht an ihnen. Aber sie geht fast ganz normal ihren Weg.

Heute hat sie dort zum ersten Mal gebellt als jemand Fremdes reinkam.

Wie lange braucht es, bis sich eine Erfahrung verankert hat? Wie lange braucht die Überwindung traumatischer Dinge?

Tara brauchte 5 Monate um in Ruhe an drei Personen vorbeilaufen zu können.

Was hat das nun hier in diesem Blog zu suchen?

Die Diagnose Krebs ist eine traumatische Erfahrung. Für so manchen Patient und Patientin ebenso die Operation und die Therapien und die Begegnung mit manchmal ignoranten Ärzten, die im Umgang einfach nicht geschult wurden. Ich kenne das: Jahre später noch – beim kleinsten Zipperlein – der Gedanke, ein kurzer tiefer Schreck: „ist es wieder…“

In unserer Zeit kommt es darauf an zu funktionieren und sich schnell wieder einzuklinken in den Alltag. Oft kommt dabei zu kurz, dass man an bestimmten Punkten einfach Zeit braucht. Und Geduld. Eben nicht darüber hinwegzugehen mit: „Stell Dich nicht so an“ sondern die Furcht wahrzunehmen, zu erlauben und MIT ihr umzugehen. Ein warmherziges Verhältnis zu sich selbst aufzubauen an den Stellen die verletzt sind.

Was für ein Glück dann zu merken, wie der Alptraum sich langsam entfernt. Wie ein Schiff, was am Horizont mehr und mehr verschwindet. Das ist auch Heilung.