Die Diagnose Krebs bezeichnet eine Zäsur im Leben. Es bleibt nichts mehr beim Alten, von heute auf morgen müssen die Pläne geändert werden, soziale Gefüge neu definiert sein und eben auch in der Partnerschaft verändern sich die Schwerpunkte.
Studien besagen, dass etwa zwei Drittel der Patienten mit und nach einer Krebserkrankung sexuell eingeschränkt sind. Eine überwiegende Anzahl Menschen hätten gerne mehr Informationen zu diesem Thema, aber weniger als 10% trauen sich, den Arzt zu befragen und die Anzahl der Ärzte, die von sich aus das Thema Sexualität, Intimität, Zärtlichkeit und Partnerschaft ins Gespräch bringen, geht gegen Null.
In jedem Alter ist Sexualität ein bewegendes und wichtiges Thema. Wie sich ein Mensch entscheidet, dieses zu leben, ist seine/ihre ganz persönliche Entscheidung. Aber wenn dieser Bereich stimmig gelebt wird, fühlen wir uns geborgen, lebendig, stark und attraktiv.
Krebs macht Angst und ist damit ein echter Gegenspieler. Zunächst einmal müssen Betroffene – egal ob Frau oder Mann, mit vielen Schwierigkeiten klarkommen: ein verändertes Körperbild kann zu schaffen machen. Scham und Peinlichkeit nehmen Raum ein. Das Vertrauen in die eigene Körperlichkeit ist gebrochen. Man ist sich fremd im eigenen Körper. Die Wahrnehmung von Berührung kann verändert sein. Dazu kommen ganz handfeste Schwierigkeiten wie chronische Müdigkeit, Schmerzen, Erektionsstörungen, Trockenheit der Vagina, Infektionsneigung und vieles andere mehr.
Gerade jetzt ist es wichtig, über all diese Dinge miteinander zu sprechen. Es kann ja sein, dass in der ersten Zeit der Erkrankung die Lust bei beiden Partnern in den Hintergrund rückt. Doch sollten dadurch keine Schuldgefühle gegenüber dem anderen entstehen. Oft bleibt der Wunsch nach Berührung, nach Zärtlichkeit und die Frage, wie gemeinsame Intimität zu leben ist. Beide Partner brauchen jetzt die Information vom anderen: welche Berührung tut gut? Was ist zu viel? Was macht Angst?
Lassen Sie sich Zeit. Nutzen Sie Beratungsangebote. Sich wieder wohl in der eigenen Haut zu fühlen, das geht nicht von heute auf morgen. Aber – wenn Sie wollen – nutzen Sie Angebote, die Sie darin unterstützen in Kontakt mit Ihrem Körper zu kommen. Seien es Körpertherapien, Singen, Massagen, Sport. Suchen Sie das offene Gespräch mit Ihrem Partner, Ihrer Partnerin oder auch mit anderen Vertrauten. Auch gerne in meiner Praxis. So entsteht in all dem Wechselbad der Gefühle ein Verständnis füreinander, was Sie beide durch diese Phase tragen wird.
Wenn Sie den Wunsch verspüren, Lust zu erleben, darf es auch eine neue Entdeckungsreise geben. Denn unser Körper ist voll von sensiblen Stellen, deren Berührung Lust, Freude und Spaß machen und uns manchmal auch zum lachen bringen. Unter der Voraussetzung, dass es gelingt, den eigenen Körper wieder anzunehmen besteht durchaus auch eine Chance, die Vielfalt der Körperlichkeit neu genießen zu lernen.