Es mag befremdlich klingen: Zu Zeiten, in denen ich mich instabil und verletzlich fühle, wenn es an Bodenhaftung mangelt, und die Gefühlslage ungeschützt ist, dann kommt die Engelwurz ins Spiel. Ich nehme dann drei bis fünf Tropfen der Tinktur von Angelica Archangelica unter die Zunge und schon bald danach fühle ich mich spürbar zentrierter, stabiler und irgendwie beschützt. Es ist, als würde sich tatsächlich der Mantel eines Erzengels um meine Schultern legen, mir Erdung schenken und mich aufrichten.

Die Engelwurz, Angelica Archangelica, hat viele Namen:

Brustwurz, Cholerawurz, Dreieinigkeitswurzel, Heiliggeistwurzel, Theriakwurzel, Buchhalter, Argelkleinwurzel, Geilwurzel, Geistwurzel, Giftwürze, Gölk und natürlich Engelwurtz.

Sie findet Verarbeitung in vielen Kräuterlikören, im Bénédictine oder zum Beispiel auch im Chartreuse, der von den Karthäusermönchen seit Jahrhunderten gefertigt wird.

Sie ist eine Doldenblütlerin, ihr Wuchs ist stattlich – bis zu zwei Metern kann sie locker hoch werden und wird von einer Pfahlwurzel getragen, die manchmal auch gegabelt ist. Sie ist leicht mit dem giftigen Bärenklau oder dem ebenso giftigen, gefleckten Schierling zu verwechseln. Beheimatet in Nordeuropa, wächst sie gerne auf feuchtem Boden, an Ufern, auf nassen, zeitweise überschwemmten Tonböden. In ihrem zwei- bis vierjährigen Lebenszyklus blüht sie nur einmal, zwischen Juni und August und duftet dann nach Honig. Ansonsten riecht sie eher würzig, ihre Laubblätter sind gestielt, die Blattstiehle rund und hohl. Ihre Dolden sind wirklich beeindruckend, zwanzig bis vierzig Doldenstrahlen entfalten sich auf dem Stängel.

eine alte Heilpflanze

Als Heilpflanze wird sie seit ewigen Zeiten genutzt. Während Pest, Ruhr und Cholera wurde die Arznei-Engelwurz eingesetzt, sie war den Vätern der Botanik wohl bekannt und wurde bereits von Hieronymus von Bock besprochen.

In alter Zeit galt sie als:

  • Abwehr von „Zauber und Gift“
  • Reinigung der Brust
  • Heilung von Bissen wütender Hunde
  • Verdauungsanregung

Und tatsächlich kennt man heute ihre Wirkung immer noch als:

  • Schweißtreibend, magenstärkend, krampflösend,
  • herzstärkend,
  • entblähend, die Verdauung anregend,
  • karminativ, antibiotisch, die Magensaft- und Bauchspeicheldrüsensekretion anregend
  • hustenlösend und im Einsatz bei Bronchitis, Erkältungen und grippalen Infekten
  • appetitanregend und sogar bei Anorexie einsetzbar
  • unterstützend bei Blaseninfekten

Die Komission E empfiehlt die Arznei-Engelwurz bei Verdauungsbeschwerden und Appetitlosigkeit. Die Dosierung wird mit 4,5g Droge/Tag oder 10 – 20 Tropfen ätherisches Öl. Wechselwirkungen sind nicht bekannt. Wohl aber die Sensibilisierung gegen UV-Licht durch die Furanocumarine.

Vorsicht ist geboten wegen der Verwechselungsgefahr mit dem gefleckten Schierling, nur wirkliche Könner*innen sollten sie sammeln und verarbeiten. Es sei auch angeraten, wenn, dann nur mit Handschuhen zu arbeiten. Die Pflanze ist leicht toxisch und es kann zu einer Kontaktdermatitis kommen.

Die Wurzel wird im Frühling ausgegraben und verarbeitet. Sie enthält ätherische Öle und Bitterstoffe. In der Regel wird sie zu Tinktur verarbeitet oder auch als Tee genutzt. Auch die Samen (im Dezember zu ernten) und die getrockneten Blätter kann man nutzen.

Die Tipps zur Anwendung:

Setzen Sie den Tee kalt an, einen halben Teelöffel trockene Wurzel auf eine Tasse Wasser. Dann kochen Sie ihn kurz auf und lassen ihn fünf Minuten lang ziehen. Täglich 1-2 Tassen genügen.

Von der Tinktur nehmen Sie 2x täglich zwanzig Tropfen.

Als Brust-Öl bei Erkältungen kann sie auch äußerlich angewendet werden.